Führung, Kommunikation und die Kunst des Feedbacks: Die Geschichte von Maike

Führung, Kommunikation und die Kunst des Feedbacks: Die Geschichte von Maike

von Karen Leppien
16.12.2024

„Und am Ende habe ich gekündigt.“

Eine gute Bekannte weihte mich neulich ein in ein Ereignis, das vor knapp 10 Jahren passiert war, sie aber bis heute in manchen Situationen übervorsichtig und misstrauisch sein lässt.

Sie war Sachbearbeiterin in der Verwaltung einer Organisation, in der ein freundlicher Umgang miteinander ein wichtiger Wert war. „Wir machten immer ein Schleifchen um Emails“, erzählte sie mir mit einem Augenzwinkern.

Eine gute Einstellung. Wie sich herausstellte, wurde diese jedoch nicht konsequent genug umgesetzt.

Meine Bekannte, Maike heißt sie, hatte täglich mit vielen Kolleginnen und Kollegen Kontakt, man besprach viele Vorgänge ausschließlich per Email, schrieb kurzfristig hin und her. Nicht selten verkürzte sich die Kommunikation offenbar auch auf den reinen Austausch von Fragen und Antworten, ohne die für schriftlichen Austausch in Briefen und deren digitalen Pendants formal korrekten Anrede-Grußformel-„Schleifchen“. Anna verglich diese Art des Austausches aufgrund der Schnelligkeit und der Inhaltstiefe eher mit einem „Gespräch“ per Messengerdienst: „ja, mach das so“ oder „nein, ich brauche das nicht, es reicht digital“.

Es gehörte zu ihrer Aufgabe, bestimmte Regeln im Haus umzusetzen und den Kolleginnen und Kollegen auch zu sagen, wie sie etwas nicht machen dürften, damit die Regeln eingehalten würden. Sie war grundsätzlich gern gesehen, galt dadurch aber auch als streng, je nach Lesart vielleicht auch als unnachgiebig.

Mit ihrem Vorgesetzten hatte sie ein gutes Verhältnis. Dachte sie. Sie hatte ihn bereits ganz am Anfang ihrer Zusammenarbeit gebeten, sie auf Missstimmungen aufmerksam zu machen oder ihr gleich zu sagen, sollte ihm zugetragen werden, dass jemand sich von Maike ungerecht behandelt fühlen oder durch ihre Art zu schreiben auf den Fuß getreten fühlen sollte. Mehrere Jahresgespräche hatten sie durchgeführt, ohne dass ihr Vorgesetzter dahingehend Andeutungen gemacht hätte.

Umso überraschter war Maike, als eines Tages ein weiteres Jahresgespräch anstand und auch die Geschäftsführerin dabei sein sollte.

In diesem Gespräch blieb ihr direkter Vorgesetzter eher im Hintergrund, während die Geschäftsführerin Maike fragte, ob sie ihren Job gerne machte und ob sie zufrieden sei. Als Maike dies bejahte, berichtete die Geschäftsführerin von einem Vorfall, der sich, wie ihr von Maikes Vorgesetztem mitgeteilt worden war, einige Monate zuvor ereignet habe. Den:Die Absender:in im Haus wolle sie aber nicht nennen: Maike habe in mehreren Emails mürrisch und zickig gewirkt und hätte vor allem mehrere Emails ohne Grußformel beendet.

Maike konnte sich nicht an einen besonderen Vorfall erinnern, so dass sie ohne weitere Anhaltspunkte keine Möglichkeit hatte, ihr damaliges Verhalten zu erklären oder die Situation aus ihrer Perspektive zu schildern. Es schien ihr aber recht deutlich, dass die Geschäftsführerin daran auch kein echtes Interesse hatte, sondern sich ihr Bild von Maikes Verhalten gemacht hatte und über den Umweg der Wohlfühl-Frage Kritik an Maikes Arbeitsweise übte. 

Kritik über den Umweg der "Wohlfühl-Frage" 

Maikes direkter Vorgesetzter stellte sich im weiteren Verlauf auf die Seite der Geschäftsführung, drückte sich um eine klare Aussage und unterließ es auch, Maike bei der Darstellung ihrer Sicht der Dinge zu unterstützen.

Zurück blieb bei Maike das Gefühl, von ihrem direkten Vorgesetzten in eine Art Hinterhalt gelockt worden zu sein, in dem sie dann allein gegenüber zwei Führungskräften versuchen musste, völlig unerwartete Angriffe zu parieren.

In einem Gespräch im Nachhinein konnte Maike bei ihrem Vorgesetzten kein Verständnis dafür wecken, welches Verhalten sie sich von ihm im Gespräch mit der Geschäftsführung, aber vor allem auch schon weit vorher gewünscht hätte: Beistand und Unterstützung im Gespräch und Offenheit im Umgang mit der Kritik. Auch war ihrem Vorgesetzten nicht klar zu machen, dass er Maikes Vertrauen in ihre gute Arbeitsatmosphäre mit den Kolleg:innen zerstört hat, in dem er ihr monatelang Vorwürfe vorenthalten hat, die sie jetzt nicht mal aus der Welt schaffen konnte, weil sie die Urheber ja nicht erfahren durfte.

Zerstörtes Vertrauen durch mangelhafte Kommunikation

„Und am Ende habe ich gekündigt“, resümierte Maike im Gespräch mit mir. Sie fühlte sich in der Zeit nach diesem Gespräch massiv verunsichert, ob durch jede lockere Email-Konversation vielleicht erneut eine Missstimmung verursacht würde, die eine Grundsatzkritik zur Folge haben würde. Sie verbrachte mehr und mehr Zeit damit, Emailentwürfe wieder und wieder zu prüfen, ob auch das „Schleifchen“ garantiert drum geschnürt sei. Sie wurde zunehmend nervös, ob sie vielleicht ungeahnt und unbedacht regelmäßig neue Fehler in der Kommunikation machte, die ihr erst Monate später mitgeteilt werden würden. Dadurch verschlechterte sich ihr Arbeitspensum, sie wurde zynisch und verlor die Lust an der Arbeit, die sie vorher sehr gern gemacht hatte.

Zum Glück für Maike hat sie dann sehr schnell einen neuen Job gefunden. Sie arbeitet seitdem in der Verwaltung einer Kommune, in der die Umgangsweise der Kolleg:innen untereinander weniger plakativ "an die Wand geschrieben" steht, aber Kritik meistens direkt geübt wird und in der üblicherweise auch keine:r Angst haben muss, von der Führungskraft im Regen stehen gelassen zu werden. Und trotzdem ist Maike immer noch immer wieder misstrauisch, zehn Jahre später.

Was mir im Kopf bleibt

1. „Freundlicher Umgang“ geht über formal angebrachte Anrede-Grußformel-Nutzung in Emails weit hinaus. 

Offenes, zeitnahes und direktes Feedback vor allem in kritischen Situationen ohne Umweg über die Führungsebene, gehört für mich absolut zu einem freundlichen Umgang miteinander dazu. Nur dann haben die Betroffenen die Möglichkeit, sich zu erklären, um Entschuldigung zu bitten und haben beide Parteien die Möglichkeit, die Situation zu klären. Es geht um eine klare Konfliktkultur nicht nur in einer Institution/einer Verwaltung, sondern zwischen den Menschen in der Verwaltung.

2. Vorgesetzte haben ihren Mitarbeiter:innen gegenüber auch eine gewisse Fürsorgepflicht

Eine Fürsorgepflicht, die sich auch in rechtzeitiger Ansprache bei Missstimmungen oder „Vorfällen“ äußerst, damit sich Situationen nicht aufbauschen bzw. Maßnahmen zur Konfliktlösung ergriffen werden können, bevor es zu spät ist.

3. Werte müssen konkret und umsetzbar sein

Auch in Institutionen, die Werte für den Umgang untereinander festgelegt haben, können diese von den Mitarbeitenden ganz unterschiedlich verstanden und umgesetzt werden; Konkretisierung und Abgleich der Umsetzungsmöglichkeiten sind auch hier unerlässlich, um Missverständnisse in der Erwartungshaltung zu vermeiden. 

Erleben Sie auch kritische Kommunikation oder schwieriges Feedback?

Wollen Sie gute Feedbackgespräche üben oder noch mehr über gute Kommunikation lernen? Melden Sie sich bei mir für ein unverbindliches Seminarangebot.

Karen Leppien
Karen Leppien
Sehen Sie als Führungskraft Ihre Funktion und Verantwortung über den rein sachlichen Aspekt der Mitarbeiterführung hinaus in einem größeren Kontext. Ein Kontext, der emotionale und informelle Faktoren einbezieht. Wir werden gut zusammenarbeiten, wenn Ihnen ein menschliches Miteinander im Team wichtig ist.

Newsletter

Schließe dich allen Abonnenten an, die regelmäßig den Newsletter erhalten. Kostenlos und jederzeit abbestellbar.
Deine Daten sind sicher. Hier ist unsere Datenschutzerklärung.

Noch keine Kommentare vorhanden.

Was denkst du?

Newsletter

Schließe dich allen Abonnenten an, die regelmäßig den Newsletter erhalten. Kostenlos und jederzeit abbestellbar.
Deine Daten sind sicher. Hier ist unsere Datenschutzerklärung.

Kostenloser Newsletter

Schließen Sie sich als Abonnent an, um meinen Newsletter zu erhalten. Kostenlos und jederzeit abbestellbar.
Ihre Daten sind sicher. Hier ist die Datenschutzerklärung.
..