Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, an einem Musikseminar teilzunehmen, das 4,5 Tage dauerte: gemeinsames Musizieren, individuelles Üben; Lange Tage, kurze Nächte und ein buntes Nebenprogramm führten schließlich zu einem Konzert, bei dem alle Seminarklassen in einem großen Orchester auftraten.
Letztes Jahr war ich schon einmal auf der gleichen Veranstaltung und das Erlebnis in unserer Klasse war geprägt von einer bunten Mischung aus Menschen: knapp zwei Handvoll Teilnehmer:innen, die aus völlig unterschiedlichen Himmelsrichtungen kamen, im Alter von Teenagern bis Pensionisten und mit sehr variierenden Spielniveaus. Trotz dieser Unterschiede erlebten wir gemeinsam einen Prozess voller Freude, Spannungen und Herausforderungen. Ich habe zusammen mit einigen geschwitzt, geweint, wir waren verzweifelt, während andere sich vermutlich auch mal gelangweilt haben. Wir haben aber gemeinsam Details geübt, erfolgreiche Zwischenschritte gefeiert und uns gegenseitig bestärkt. Die Lehrerin hat jede von uns gesehen, gehört, uns angepasste Möglichkeiten zur Teilnahme auch an schweren Stücken gegeben. So haben wir es in der kurzen Zeit geschafft, ein Team zu werden, stolz auf den Prozess jeder einzelnen Teilnehmerin und stolz auf die gemeinsamen Ergebnisse. Wir waren gemeinsam mit den schwächsten Gliedern eine starke Kette.
Die Erinnerungen an diese Zeit füllten unsere Chats über Monate. Im Laufe des Jahres wurde jede Mitteilung, dass sich wieder eine für das kommende Seminar angemeldet hatte mit Emoji-Jubeln begleitet.
In diesem Jahr war dann aus meiner Perspektive jedoch alles anders: die Lehrerin hatte ein paar ihrer Schützlinge aus der Heimat dabei. Eine Gruppe Jugendlicher mit Profiambitionen, die wenig Interesse an neuen Bekanntschaften hatte. Darüber hinaus war die Gruppe größer als vorher, was es schwieriger machte, auf die individuellen Bedürfnisse im Einzelnen einzugehen. Ein „Wir“-Gefühl blieb aus, wir „alten Hasen“ fühlten uns nicht mehr so wichtig, Überforderung und ein Gefühl des Alleingelassenwerdens machten sich breit. Stolz auf das Geschaffte wurde eher von außen an uns herangetragen, als dass wir ihn wirklich gefühlt hätten. Das Feedback zum Abschluss des Seminars war recht neutral, die Chatgruppe bleibt seitdem still.
Werde ich im nächsten Jahr wieder teilnehmen? Vielleicht. Doch die Erinnerungen an die Tage mit meiner Musikklasse spielen für die Entscheidung nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr werde ich mich eher an anderen Erlebnissen des Seminars orientieren.
Gesehen- und Gehörtwerden der Einzelnen (im Team) ist entscheidend für das Gemeinschaftsgefühl. In einem Team ist es unerlässlich, dass jede Person wahrgenommen wird. Nur so kann ein echtes Wir-Gefühl entstehen.
Loyalität lässt sich durch Menschlichkeit und Achtsamkeit gewinnen, muss jedoch aktiv gepflegt werden. Sie ist ein flüchtiges Gefühl und kann schnell verloren gehen, wenn das Gefühl der Zugehörigkeit fehlt.
Fehlen Loyalität und Gemeinschaftsgefühl, schwindet der Zusammenhalt im Team. Die guten Kräfte orientieren sich schnell woanders hin und das kann verheerende Folgen für die Teamdynamik haben.
Bei Mediation geht es ja um die Lösung von bestehenden Konflikten. Mir persönlich geht es um die Lösung von Konflikten in beruflichen Teams.
Die Bedeutung eines starken Teamgefühls lässt sich nicht hoch genug einschätzen. Ein enges Zusammengehörigkeitsgefühl bildet die Grundlage dafür, Konflikte frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Es liegt in unserer Verantwortung – sowohl als Individuen als auch als Führungskräfte –, aktiv daran zu arbeiten, eine Gemeinschaft zu fördern, in der Vertrauen und Unterstützung im Mittelpunkt stehen. Indem wir ein starkes Teamgefühl entwickeln, schaffen wir eine Atmosphäre, die Verständnis und Zusammenarbeit begünstigt und so Konflikten effektiv vorbeugt.
2 Kommentare
Was denkst du?