Streitet man sich als Mediatorin nicht mehr?

Streitet man sich als Mediatorin nicht mehr?

von Karen Leppien
25.11.2024

Ich habe Mediation gelernt, ich streite mich nicht.
Ich kenne mich aus mit Kommunikationsanalyse, ich rede nicht an anderen vorbei.

Ist doch so, oder?

Reality bites, würde ich sagen:

In meinem Hauptberuf als Juristin in der Verwaltung habe ich mir vor einigen Jahren einen sehr kritischen Spiegel vorhalten müssen. Ich war in einen deftigen Streit geraten, der dazu führte, dass es zwischen einem Kollegen und mir erst ordentlich laut und in der kommenden Zeit dann sehr still wurde.

Die sachliche Ebene ist kurz erzählt 

und vor allem im Nachhinein ziemlich irrelevant: Ich hatte einen Vertrag mit einem externen Partner gekündigt, der nicht hätte gekündigt werden sollen. Weil ich gerade dabei war, hunderte Verträge dieser Art durchzuarbeiten, hatte ich offenbar eine aufhaltende Information des Kollegen überlesen.

Der Streit entspann sich, 

als der Kollege eines Tages in meinem Büro stand und mich aufgebracht zur Rede stellte, warum ich denn den Vertrag gekündigt hätte, wir hätten doch extra darüber gesprochen. Ich war überrascht, da der Kollege einfach so in mein Büro gestürmt war und mir Dinge in einer Art und Weise vorwarf, die ich als übergriffig und unangemessen empfand und mich zudem in dem Augenblick nicht an den Vorgang erinnern konnte.

Ein paar Stunden später hatte ich mich beruhigt und nach einer Recherche in meinem Emailpostfach verstanden, dass ich offenbar einen Fehler gemacht hatte. Also ging ich zum Büro des Kollegen, um ihm zu erklären, wie es zu dem Fehler kommen konnte und wie ich meinte, den Fehler schnell wieder ausbügeln zu können. Der Kollege hatte sich aber offenbar nicht beruhigt, er unterbrach meinen Erklärungsversuch, ging gar nicht auf meine Lösungsangebote ein und beschuldigte mich aufgeregt, meine Arbeit nicht richtig zu machen.

In dem Augenblick konnte ich dann auch nicht mehr ruhig bleiben, forderte den Kollegen lautstark auf, mir doch einfach nur mal zuzuhören und fragte ihn, mit welcher Autorität er sich erlaubte, mir bei einem einzigen Fehler schlechte Arbeit zu unterstellen. Er war nicht mein Vorgesetzter, wir arbeiteten nicht einmal in der gleichen Abteilung. Wir redeten also gleichzeitig aufeinander ein, wobei wir beide versuchten, uns durch erhöhte Lautstärke mehr Gehör zu verschaffen.

Nach ein paar vergeblichen Versuchen, zu dem Kollegen durchzudringen und der Erkenntnis, dass wir beide in dem Augenblick offenbar zu aufgebracht waren um die Sache zu klären, verließ ich das Büro wütend und offensichtlich unverstanden. Es ist sogar möglich, dass ich die Tür geknallt habe, das hätte ich dann aber verdrängt.

Nach ein paar Tagen schrieb ich eine Email um mich für mein Verhalten zu entschuldigen, in der Hoffnung, dass auch der Kollege sein Verhalten reflektieren würde. Ich erhielt jedoch nur eine mit versteckten erneuten Vorwürfen gespickte „Pseudoentschuldigung“.

Bis der Kollege ein Jahr später den Arbeitgeber wechselte, blieb die Stimmung zwischen uns angespannt. Ich versuchte zudem, jede Zusammenarbeit auf das Nötigste zu beschränkten, bei Zusammenkünften mit den Kolleg:innen (Mittagspausen, Feierlichkeiten) saßen wir an anderen Enden des Tisches. Der Kollege hatte meinen Respekt verloren und ich vermute, dass ich auf ihn arrogant und kaltschnäuzig wirkte.

Was habe ich aus dieser Erfahrung gelernt?

Im Rückblick auf dieses Erlebnis stelle ich mir eher einige Fragen:

1. Wie konnte die Situation so eskalieren?

Es spielen sicherlich mehrere Faktoren eine Rolle:

  • Der Druck, unter dem wir beiden Streitenden von außen gestanden haben mögen, unsere Arbeit gut und zügig zu erledigen;
  • Das primäre Missverständnis über die zu erledigende Aufgabe;
  • Möglicherweise haben Vorannahmen und vergangene Erfahrungen des Kollegen dazu geführt, mich auf die erlebte Weise anzusprechen, ob gerechtfertigt oder nicht, kann offen bleiben.
  • Das Eindringen in den als sicher empfundenen Büroraum des jeweils anderen in aufgebrachter Stimmung haben wir bestimmt auch zumindest unterbewusst als Bedrohnung erlebt;
  • Die Anschuldigungen und mehr oder weniger offen ausgesprochenen Vorwürfe, die wir wahrscheinlich beide als Abwertung der Arbeit und auch der eigenen Person gewertet haben und die bei beiden eine Verteidigungshaltung provozierten...

Alle einzelnen Faktoren sind schon für sich gute Nährböden für Konflikte. Kommt dann alles zusammen, kann es zu explosionsartigen Streitgesprächen kommen, deren Anfang und Ursachen sich häufig gar nicht genau bestimmen lassen.

2. Was bedeutet das Erlebnis im Hinblick auf eine gesunde Fehlerkultur?

Hier sicherlich nicht im Zentrum des Geschehens, aber wenn ein einziger Fehler unter hunderten korrekten Arbeitsschritten dazu führt, dass jemandem allgemein „schlechte Arbeit“ attestiert wird, lässt sich sicherlich über die Qualität der Fehlerkultur im Arbeitsumfeld diskutieren.

3. Wieso konnte ich trotz meiner Ausbildung in Mediation und guten Kenntnissen über Kommunikationsanalyse den Streit nicht verhindern?

Spannend finde ich im Nachhinein, dass ich während des Streits kurze Erkenntnisblitze hatte, Sekundenbruchteile, in denen ich mich von außen beobachten konnte und mir klar wurde, dass das, was gerade passierte, weder rational noch reflektiert war. Die Stimme der Vernunft drang jedoch nicht soweit zu mir durch, dass ich mein Handeln im Eifer des Gefechts hätte ändern können.

Das Erlebte ist ein klassisches Beispiel dafür, dass Mediator:innen oder Streitschlichter nur erfolgreich sein können, wenn sie nicht selber in den Streit involviert sind. Ich war zu sehr emotional eingebunden, ich fühlte mich ungerecht behandelt, nicht ausreichend respektiert und dann in die Defensive gebracht um mit kühlem Kopf auf die Vorwürfe zu reagieren. Ich hatte zwar zunächst versucht, mit ein bisschen Abstand und sachlichen Lösungsvorschlägen meine Aufregung einzudämmen und die Situation in Ruhe zu klären. Ich war dann aber gegen meine Empfindungen nicht angekommen.

Abschließend bleibt auch die Erkenntnis, dass ungeklärte Missverständnisse erst eskalieren und dann zu einer wie zu Eis erstarrten Arbeitssituation führen könne. So kann das große Potenzial guter Zusammenarbeit innerhalb oder zwischen den Abteilungen der Verwaltung in gewisser Weise „einfrieren“ und die Verwaltung einer Institution oder Behörde im schlimmsten Fall im Ganzen lähmen.

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Karen Leppien
Karen Leppien
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